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Es ist schon sehr erstaunlich, wie leistungsfähig moderne Computer- und Logik-Chips mittlerweile geworden sind und was man damit alles anstellen kann.

So kann man Instrumente, die nicht mehr gebaut werden, als physikalisches Modell in einem Computer wieder auferstehen lassen. Das mag nun ein bisschen nach "eine Kopie wird nie so gut sein wie das Original" klingen.
Das dem nicht so ist und wie man ganz nebenbei sein individuelles Instrument zusammenbauen kann, wird nun genauer beschrieben.

Früher

Es gab einmal eine Zeit - vor den Keyboards und Digitalpianos - so Anfang der 80-er Jahre, da war es sehr in Mode (falls man unfallfrei 3 Tasten kurz hintereinander drücken konnte) sich eine elektronische Heimorgel anzuschaffen und am besten ins Wohnzimmer zu stellen.
Dabei hatte man die Wahl zwischen Ohrenschmerzen verursachenden 1-manualigen "Leierkästen" bis zu 4-manualigen Theaterorgeln mit vielen Solostimmen und Streicherklängen - inklusive eingebautem Rhythmusvollautomat, die schnell mal so viel kosten konnten wie ein gut ausgestatteter Mittelklasse-Wagen.
Mit allen diesen Geräten wurde versucht, dem Klang-Ideal einer original Hammond-Orgel nahe zu kommen. (Es gab auch Geräte, die eher den Klang einer Kirchenorgel imitieren wollten.)

Die Firma Hammond hatte bis 1974 Orgeln mit elektromagnetischer Tonerzeugung produziert (darunter die legendäre "B3") und ist dann auf Transistortechnik umgestiegen - leider war der Klang dann auch nicht mehr so gut.
Vielleicht war das Geheimnis des Hammond-Sounds, dass er nicht perfekt war: kein reiner Sinuston, Übersprechen zwischen den einzelnen Tönen, Verzerrung bei Übersteuerung, Alterungsprozess der verwendeten Bauteile (v.A. Kondensatoren), beschränkter Tonumfang (in den hohen Tonlagen).
Trotzdem war der Klang sehr vielfältig (von "schwurbelnd bis röhrend") und "durchsetzungsfähig".
Wenn Musiker auf einer Orgel spielten, war es meist ein Modell der Firma Hammond (wenn nicht, lag es meistens am Gewicht oder am Preis der Instrumente ;-).

Heute

Mittlerweile sind digitale Logikbausteine so leistungsfähig geworden, dass man damit diese alten Instrumente als physikalisches Modell (sogar mit allen Unzulänglichkeiten, die sie damals hatten) "nachbauen" kann.
Mit der "physical Modelling" Technik lassen sich auch Piano, Violine, Saxophon etc. simulieren, oder "Vintage" Klassiker wie Fender Rohdes E-Pianos, analoge String-Geräte usw., diese kann man in den modernen Keyboards und Digitalpianos alle (wieder) hören.

Technisch werden diese physikalischen Modelle meist mit Digitalen Signalprozessoren (DSPs) oder FPGAs (Field Programmable Gate Arrays) abgebildet. Letztere sind so eine Art digitaler "Universalbaustein", der meist ein paar hunderdtausend logische Zellen enthält, die man programmieren und vernetzen kann. Es ist sogar möglich FPGAs so zu programmieren, dass sie sich wie ein alter Home-Computer verhalten. So könnte man z.B. (auch mehrere), Atari ST oder C64-er parallel betreiben.
Der Hauptvorteil von FPGAs - im Vergleich zu den Prozessoren, die in Notebooks und PCs verbaut werden - ist, dass sie Daten massiv parallel verarbeiten können und damit sehr schnell sind (wenn sie richtig programmiert wurden...).

Was ist HX3 ?

Aus so einem FPGA "Bastelprojekt" der Computer-Zeitschrift c't ist das Soundmodul HX3 entstanden.
Es stellt einen völlig neuen Ansatz in der Tonewheel-Emulation dar (die alten elektromagnetischen Orgeln hatten einen Generator, der aus lauter kleinen "Zahnrädchen" - sog. Tonewheels - bestand, die sich vor kleinen Elektromagneten drehen).

Man kann die kleine HX3-Platine in eine bestehende Orgel oder in ein Keyboard einbauen oder als Expander über MIDI ansteuern.
Der Charme an diesem Modul ist, dass es sehr detailgetreu alle Features einer Hammond B3 nachbildet. Vom 6-stufigen Vibratoschalter, über eine (Röhren) Leslie-Vorverstärker, die 24 Preset Klänge, den 3 Hall-Programmen, bis zum Anschluss von zwei original Hammond-Zugriegel Sets für jedes (!) Manual.
Im Grunde eignet es sich durch seine Vielseitigkeit besonders für Musiker (die sich früher keine B3 leisten konnten oder die mittlerweile Rückenprobleme haben ;-).

Der Entwickler dieses Boards ist der c't Redakteur Carsten Meyer, der viel Erfahrung mit Hammond Orgeln mitbringt, da er diese früher repariert und getuned hat.
Wie bei vielen guten Produkten kommen hier zwei Dinge zusammen: sehr gutes technisches Know-How, was die verwendeten elektronischen Bauelemente angeht, plus jahrelange Erfahrung mit den alten Hammond Orgel Modellen.

Es gibt natürlich noch andere "Hammond-Clones", von Korg, Roland und sogar von Hammond-Suzuki selber, die meiner Meinung nach aber klanglich nicht an den HX3 herankommen.
Wenn er nicht über MIDI betrieben wird, hat man ein sehr direktes Spielgefühl und die Anzahl der gleichzeitig spielbaren Tasten ist unbeschränkt (so wie bei den Original Hammonds auch). Wie hat jemand so schön geschrieben: "Es fühlt sich gut an."
Werden Tastaturen des Herstellers Fatar verwendet, wird der HX3 sogar anschlagdynamisch! Für die Orgel selbst ist das naturgemäss nicht so wichtig und wurde nur sehr dezent implementiert, aber man kann sehr gut (über MIDI) andere Sounds dynamisch spielen.